Dass die Residenten sich zusammengefunden haben, hat Gründe in diversen Mängeln: einem Mangel an durchsetzungskräftigen Ideen für lebenswerte Innenstädte, einem Mangel an bezahlbarem Wohnraum dort – und vor allem an solchem Wohnraum, der mehr Lebensentwürfe aufnehmen kann als das Paar oder den Single, die junge Kleinfamilie oder die pflegebedürftige alleinstehende alte Dame. Wir wollen nicht so recht einsehen, dass der Immobilienmarkt für die einen diese Räume und die anderen jene Räume vorhält, es aber keine gibt, die für viele Menschen in vielen verschiedenen Situationen und Konstellationen langfristig und gemeinsam funktionieren könnten. Niklas Maak bringt das Dilemma gut auf den Punkt in seinem kürzlich erschienenen Buch „Wohnkomplex„:
„Wenn es um den passenden architektonischen Rahmen für das Privatleben ging, um eine Versicherung gegen Altersarmut oder Inflation, waren die Wahlmöglichkeiten bisher deprimierend gering: Eine, je nach finanzieller Situation, kleine oder große Wohnung, ein kleines oder großes Haus. Die bauliche Form erzwang dabei fast den Lebensentwurf: Vater, Mutter, Kind, Haustier… Schon auf die Frage, wie mit pflegebedürftigen Eltern, mit Freunden und deren Kindern zu wohnen wäre, halten diese Bauformen keine Antwort bereit – weil der Lebensentwurf, um den herum sie entworfen wurden, solche Konstellationen nur als Notfälle kennt.“
Wohnprojekte und Baugruppen sind nicht das Hauptthema von Maaks Buch. Aber immer wieder tauchen darin Fragen auf, die die Residenten beschäftigen. Zum Beispiel auch die nach der Verteilung von gemeinschaftlichem und privatem Raum. Maak setzt da mit dem schönen Kampfbegriff des Quadratmeterfetischismus an und verbindet gemeinschaftlich gedachten Wohnraum mit Verdichtung in den Städten, die das Ausfransen der Ballungsräume in suburbane Unorte verhindert:
„Täglich werden in Deutschland zwischen 100 und 120 Hektar Freifläche für Siedlungs- und Verkehrszwecke umgenutzt… Doch den Flächenverbrauch einzudämmen gilt als Zumutung. Wo es ums Wohnen geht, herrscht Quadratmeterfetischismus, es gilt als unmöglich, mit vier Personen einigermaßen entspannt auf 75 Quadratmetern zu wohnen. Dabei gibt es Häuser, die zeigen, dass das ohne Probleme möglich ist, wenn man Rückzugsräume radikalisiert und die frei werdenden Ressourcen, das gesparte Geld und den gesparten Platz, für um so großzügigere Gemeinschaftsflächen – Dachterrassen oder große kollektive Gärten für zehn Wohneinheiten – nutzt.“
Juhu – nicht nur wir glauben daran, dass es Alternativen zur Einzelwohnung von der Stange gibt! Und daran, dass es mehr geben muss auf der Welt als zu wählen zwischen Miete zahlen oder Privateigentum erwerben (oder auch gar nicht wählen zu können). Der Gemeinschafts-Wohnraum, den sich die Residenten vorstellen, für mehrere Parteien aus verschiedenen Generationen geplant, bietet auch die Möglichkeit, auf unterschiedliche und sich verändernde Ansprüche an die private Wohnsituation zu reagieren. Sicher, wir wollen Werkstatt, Bibliothek, Saal, Garten, Gästeraum, Spielzimmer usw. gemeinsam nutzen. Wir wollen aber auch innerhalb des Projekts je nach Lebensphase mit verschieden zugeschnittenen Wohnungen rotieren können. Wenn die Familie größer oder kleiner wird, wenn eine Krankheit einem das vormals verhasste Erdgeschoss plötzlich attraktiv erscheinen lässt usw. Und: Wir wollen unser Gebäude so einrichten, dass möglichst viele Einheiten barrierearm oder barrierefrei zu erreichen sind – damit wir nicht alle wieder ausziehen müssen, wenn das Treppensteigen nicht mehr klappen will.
Und der Stadt, in der wir wohnen, können wir auch noch von Nutzen sein: wenn wir umnutzen, was schon gebaut wurde, aber nicht mehr so recht gebraucht wird so, wie es da steht. Damit dieser letzte zu den vielen anderen guten Gründen für unser Wohnprojekt hinzukommen kann, brauchen wir nur noch ein Gebäude, das wir umnutzen dürfen. Gerade schauen wir uns mit wachen Augen durch ganz Köln nördlich des Eigelsteins. Da muss es doch ein Fleckchen geben, das brach liegt und ein wenig Belebung vertragen könnte! Und uns!