Die Residenten haben das neue Jahr mit einer Exkursion nach Essen begrüßt. Vom Beginenhof am Rüttenscheider Stern hatten uns Einzelne schon vorgeschwärmt, deshalb freuten wir uns sehr über die freundliche Einladung, mit einer ganzen Delegation anzureisen, um das Gemeinschaftswohnprojekt näher kennenzulernen. Initiatorin Waltraud Pohlen erzählte uns, wie es zur Umnutzung des ehemaligen Finanzamts Essen-Süd kam und führte uns durch das Gebäude, das privat entwickelt wurde und nun im Mietverhältnis mit weitgehenden Mitspracherechten genutzt wird. Besonders interessierte uns, wie die Beginen die auch für uns zentrale Idee des lebenslangen Wohnens umsetzen konnten.
Zu den 24 Wohneinheiten (mit Größen zwischen etwa 45 und 120 qm) kommen in diesem Projekt zwei betreute Wohngruppen mit je 7 Apartments und einem gemeinschaftlichen Wohnbereich. Beide Gruppen werden von einem professionellen Träger betreut. Sie haben kein gemeinschaftliches Pflegebad, aber jedes einzelne Apartment ist mit bodengleicher Dusche und unterfahrbarem Waschbecken ausgestattet. Eine Köchin bereitet das Essen für die Frauen zu, die dort betreut im Beginenhof wohnen; zweimal in der Woche kocht sie aber für alle Bewohnerinnen des Hauses im Nachbarschaftscafé „Machwatt“. Dort essen dann alle diejenigen gemeinsam, die Lust darauf haben und mobil genug sind.
Die regulären Wohnungen des Essener Beginenhofs sind nicht mit barrierearmen Bädern ausgestattet. Die Türen und Bewegungsräume aber sind ausreichend breit, der Zugang zu den Wohnungen ist auch per Fahrstuhl möglich. Sollte eine Bewohnerin pflegebedürftig werden und nicht in der eigenen Wohnung bleiben können, dann kann sie in eines der betreuten Apartments wechseln. Aber schon lange vor der Pflegebedürftigkeit profitiert das ganze Haus davon, dass im nächsten Stockwerk ein professioneller Träger der Alten- und Krankenpflege sitzt, denn im Akutfall ist schnell jemand in der Lage, Blutdruck zu messen oder sonst nach dem Rechten zu sehen.
Im Erdgeschoss haben sich in einem der Gebäudeflügel mehrere Praxen angesiedelt. Hier machen Hebammen, Heilpraktikerinnen und Psychologinnen den Beginenhof zu einem Ort nicht nur für alte, sondern auch für junge Menschen. Das direkt anschließende Nachbarschaftscafé, das auch von der Straße aus zugänglich ist, wird nicht gewerblich betrieben, sondern kann gegen Unkostenbeitrag genutzt werden und bietet Raum für Ausstellungen, Talentbörsen und Recycling-Basteleien. Vor allem aber der große Saal der Beginen – mit einem Klavier, wunderschönem Parkettboden und einer herrlichen Aussicht auf den Essener Süden – macht das Haus lebendig. In der ehemaligen Kantine des Finanzamts gibt es keine Tablettausgabe mehr, dafür musikalische Früherziehung, Stimmbildung und Yoga, aber auch genügend Platz für öffentliche Lesungen, Konzerte und private Feiern. Wie schön!
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